16. Dezember 2019

Das Arbeits­zeit­konto – sinn­voll auch in klei­nen Betrieben

Ein Arbeits­zeit­konto kann vie­len Zwe­cken die­nen, vom Er­fas­sen der Gleit­zeit bis zum Aus­gleich von Win­ter­ar­beits­lo­sig­keit – wenn es sorg­fäl­tig ge­plant wur­de. An­walt und Steu­er­be­ra­ter müs­sen prü­fen, ob Kon­zept und Um­set­zung den ge­setz­li­chen Vor­ga­ben folgen.

Text: Midia Nuri

tempeln klingt nach längst vergan­genen Indus­trie­tagen. Nach­voll­ziehbar, dass „Legal Tribune Online“ kürz­lich besorgt fragte: „Kommt die Stechuhr für alle?“ Anlass war ein Urteil des Euro­päi­schen Gerichts­hofs (EuGH) zur Zeit­er­fas­sung. Damit verpflich­teten die Euro­pa­richter auch deut­sche Firmen­chefs mit Blick auf die euro­päi­sche Arbeits­zeit­richt­linie, die tägliche Arbeits­zeit aller Arbeit­nehmer aufzu­zeichnen. Für viele Unter­nehmen wäre das aber gar nichts Neues. Zumin­dest Über­stunden sind schon nach deut­schem Arbeits­zeit­recht gene­rell zu erfassen. Zudem fordert das Mindest­lohn­ge­setz die Doku­men­ta­tion von Beginn, Ende und Dauer der Arbeits­zeit – es sei denn, der Beschäf­tigte verdient brutto über 2.958 Euro oder 2.000 Euro verste­tigt im Schnitt. Es gibt also schon weit­rei­chende Vorgaben zu diesem Thema. Viel­leicht stellt sich also eigent­lich eher die Frage: Warum nicht gleich ein Arbeits­zeit­konto für jeden Mitar­beiter?

Das Arbeits­zeit­kon­to ist bei Mit­ar­bei­tern beliebt

Die Vorteile liegen auf der Hand. Bei den zahl­rei­chen Aufzeich­nungs­pflichten sowie oft gewährten flexi­blen Arbeits­zeiten drängt sich ein Arbeits­zeit­konto als Lösung auf, um geleis­tete Stunden zu doku­men­tieren. Jeder zweite Arbeit­nehmer hat laut Institut für Arbeits­markt- und Berufs­for­schung (IAB) schon eins. Seit 1999 stieg der Anteil der Beschäf­tigten mit einem Arbeits­zeit­konto von 35 auf 56 Prozent. Jeder dritte Betrieb bietet es seinen Mitar­bei­tern an – auch viele klei­nere Unter­nehmen. In der Regel dient das Arbeits­zeit­konto dem Ausgleich von Über­stunden. Beschäf­tigte nutzen die Spiel­räume, um die Verein­bar­keit von Berufs­leben und Privat­leben zu verbes­sern, so die IAB-Studie. Minus- oder Über­stunden müssen dabei in vier von zehn Unter­nehmen binnen eines halben oder eines ganzen Jahres ausge­gli­chen sein. Lang­zeit­konten finden sich eher selten. Ihr Anteil stagniert seit Jahren bei zwei Prozent. Dabei sind sie beliebt: 76 Prozent der Arbeit­nehmer haben zuge­sagt, als der Chef ihnen ein Lang­zeit­konto anbot.

Auch klei­ne Be­trie­be pro­fi­tie­ren vom Ar­beits­zeitkonto

Eröffnen Betriebe ihren Mitar­bei­tern die Möglich­keit, ein Arbeits­zeit­konto zu führen, ziehen zwischen 85 und 92 Prozent der Beschäf­tigten mit. Der höchste Anteil findet sich laut IAB-Studie in Unter­nehmen mit bis zu neun Beschäf­tigten. Gerade bei diesen kleinen Betrieben bietet jedoch über­haupt nur jeder vierte ein Arbeits­zeit­konto an. Hier verpassen viele Firmen­chefs also die Chance, mit diesem Instru­ment die Flexi­bi­lität und Mitar­bei­ter­zu­frie­den­heit zu stei­gern. Bei Unter­nehmen mit zehn bis 49 Beschäf­tigten gibt es immerhin in jedem zweiten auch Arbeits­zeit­konten. Der Anteil steigt laut IAB-Betriebspanel 2018 auf 81 Prozent bei Betrieben mit über 250 Beschäf­tigten. Die größeren Unter­nehmen profi­tieren also beson­ders von den Vorteilen: höhere Flexi­bi­lität für den Arbeit­geber wie auch den Arbeit­nehmer. Und größere Zufrie­den­heit bei den Mitar­bei­tern dank mehr Zeit für Familie, Sabba­tical, Weiter­bil­dung oder auch Vorru­he­stand. Dafür nehmen sie gerne ein paar Nach­teile in Kauf – hier nennt das Wirt­schafts­ma­gazin „impulse“ aus Unter­neh­mer­sicht vor allem den Verwal­tungs­auf­wand.

Sinn­voll bei Gleit­zeit, Sabba­ti­cal und Sai­son­geschäft

Das Arbeits­zeit­konto ist kein Luxus­thema für Betriebe mit Gleit­zeit, Sabba­ti­cals und sons­tigem vermeint­lich modernen Schnick­schnack. Es ist auch für Firmen­chefs in Bran­chen inter­es­sant, deren Probleme abseits der Balance-Fragen liegen. So können Bauun­ter­nehmer mit Arbeits­zeit­konten etwa Probleme wie Winter­ar­beits­lo­sig­keit für ihre Mitar­beiter besser auffangen. Die Sozi­al­kasse Soka Bau weist auf diese Möglich­keit als Alter­na­tive zur winter­be­dingten Entlas­sung hin. Selbst für Mini­jobber sind Arbeits­zeit­konten geeignet, betont die Mini­job­zen­trale. Und sogar für Geschäfts­führer – ihnen tut der struk­tu­rierte Ausgleich von Über­stunden und der Abbau psychi­scher Über­las­tungen sicher eben­falls gut. Aber Vorsicht: Legen Geschäfts­führer für sich ein Arbeits­zeit­konto zum Ausgleich an und bilden dafür Rück­stel­lungen, wittert der Fiskus schnell eine verdeckte Gewinn­aus­schüt­tung. Zurecht, wie der Bundes­fi­nanzhof (BFH) bereits urteilte. Hier ist deshalb mit dem Steuer­berater zu klären, wie man am besten verfährt.

Vor dem Arbeits­zeit­kon­to kommt die Über­stun­denfrage

Schon mit Blick auf ihre Aufzeich­nungs­pflichten sollten Unter­nehmer klar fest­legen, was als Über­stunde gilt und wie die Anord­nung erfolgt. Mit Anwalt und Steuer­berater sind hierzu vertrag­liche sowie steu­er­liche Fragen zu klären. Vor allem müssen klare und eindeu­tige Vorgaben im Arbeits­ver­trag stehen. Nur so lassen sich Arbeits­stunden später rechts­si­cher notieren – egal ob auf einem Stun­den­zettel oder per App. Das hilft Unter­neh­mern auch, Ausein­an­der­set­zungen um nicht entgol­tene Stunden und deren Aufzeich­nung zu vermeiden, etwa nach einer Kündi­gung. Beim Steuer­berater sollten Unter­nehmer zudem Abrech­nungs­fragen klären – insbe­son­dere, wenn Stunden in Folge­jahre geschoben werden können oder Minus­stunden auflaufen. Unab­hängig vom Arbeits­zeit­konto wirft Arbeits­zeit also schon genug steu­er­liche und recht­liche Fragen auf.

Das Lang­frist-Ar­beits­­zei­t­­kon­to muss in­sol­venz­fest sein

Beson­ders wichtig: Mitar­beiter können ihrem Arbeit­geber per Arbeits­zeit­konto nicht einfach Plus­stunden aufdrü­cken. Und bei einem lang­fristig ange­legten Arbeits­zeit­konto sollten Unter­nehmer unbe­dingt mit Anwalt und Steuer­berater klären, wie sie ihre finan­zi­ellen Pflichten gewähr­leisten. Das gilt auch für den Fall eines Arbeit­ge­ber­wech­sels oder einer mögli­chen Insol­venz. Im Insol­venz­fall gewährt das Insol­venz­geld ledig­lich Ersatz für Lohn­an­sprüche der vergan­genen drei Monate. Das vierte Sozi­al­ge­setz­buch verpflichtet Arbeit­geber daher, darüber hinaus­ge­hende Zeit­gut­haben ihrer Mitar­beiter auf Arbeits­zeit­konten gegen Insol­venz abzu­si­chern und insol­venz­feste Rück­lagen dafür zu bilden. Zur Absi­che­rung verpflichtet sind Arbeit­geber spätes­tens nach 27 Monaten Lauf­zeit des Zeit­gut­ha­bens oder wenn es einen bestimmten Wert erreicht, infor­miert das nord­rhein-west­fä­li­sche Minis­te­rium für Wirt­schaft und Arbeit. Gesetz­liche und auch tarif­liche Vorgaben müssen Unter­nehmer einhalten. Sie haben Vorrang vor indi­vi­du­ellen Verein­ba­rungen, die dann als Nächstes Thema sein sollten.

So lassen sich Ar­beits­zeit­kon­ten fi­nan­ziell absi­chern

Für Lang­zeit­ar­beits­zeit­konten ist Insol­venz­si­che­rung gesetz­lich Pflicht. Poli­tiker und Experten empfehlen sie aber gene­rell ab 150 vorge­ar­bei­teten Stunden. Neben der nicht insol­venz­si­cheren Möglich­keit eines Sperr­kontos haben Unter­nehmen drei Möglich­keiten:

• Anla­ge­mo­dell: Hierbei werden liquide Mittel in verschie­dene Geld- oder Vermö­gens­an­lagen ausge­la­gert. Vor dem Zugriff des Insol­venz­ver­wal­ters sichern diese Mittel eine Verpfän­dungs­ver­ein­ba­rung oder doppel­sei­tige Treu­hand­ver­ein­ba­rung.

• (Bank-)Bürgschaft: Ein Kredit- oder Versi­che­rungs­un­ter­nehmen über­nimmt eine Bürg­schaft in Höhe der abzu­si­chernden Zeit­gut­haben gegen Gebühr (Aval­pro­vi­sion).

• Kauti­ons­ver­si­che­rung: Ein Versi­che­rungs­un­ter­nehmen über­nimmt eine Bürg­schaft in Höhe der abzu­si­chernden Wert­gut­haben. Ein Teil der zu erwar­tenden Wert­gut­haben werden als Kaution bei der Versi­che­rung hinter­legt. Das Unter­nehmen zahlt eine Versi­che­rungs­prämie.

Auch die Verpfän­dung von Unter­neh­mens­werten ist möglich. Unter­nehmer sollten mit dem Anwalt die Rechts­si­cher­heit und vertrag­liche Details der Absi­che­rung bespre­chen sowie mit dem Steuer­berater die steu­er­liche Gestal­tung. Was die Zeit­er­fas­sung auch fürs Arbeits­zeit­konto betrifft: Hier geht alles – von der App über den Stun­den­zettel bis zur guten alten Stechuhr an der Wand.

Bei Fragen spre­chen Sie uns gerne an.

Quelle: www.trialog-unternehmerblog.de, Heraus­geber: DATEV eG, Nürn­berg